Trauma Psycho Sozial Support Plus: TPSS+ ® in Krisenregionen

11 Mai 2020

In der Öffentlichkeitsarbeit von TraumaAid stellen wir unser in den letzten drei Jahren neu entwickeltes Konzept für die Ausbildung von Sozialarbeiter, potentiellen Sponsoren und Interessenten mit diesem Text zur Vorstellung und als Diskussionsgrundlage dar:

Vorstellung eines EMDR*-basierten Ansatzes zum Umgang mit traumatisierten Menschen aus und in Krisenregionen

* EMDR = Eye Movement Desensitization and Reprocessing nach Francine Shapiro

 

Vorbemerkung:

TraumaAid will durch diese besondere Art der psychosozialen Unterstützung vor allem Sozialarbeiter den Umgang mit traumatisierten Menschen unterschiedlichen Alters in Lebenssituationen nach Krieg und Krisen zu vermitteln. Sozialarbeiter und andere Fachkräfte mit unterschiedlichem Ausbildungshintergrund, z.B. Krankenschwestern, sollten in einer Trauma-fokussierten Behandlung von Erwachsenen, Kindern, Jugendlichen und Familien ausgebildet werden. Das „Plus“ beschreibt die Anpassung von aus EMDR stammenden Techniken, die ohne Risiko für die Klienten, besonders auch bei und mit Kindern und Jugendlichen angewendet werden können.

 

Entwicklung des Konzepts:

In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurde das Grund-Konzept in zwei Seminaren zu je sechs Tagen und vier Tagen Supervision im Nordirak entwickelt und wiederholt auf seine Anwendbarkeit geprüft. Die Mitarbeiter in Vertriebenenlagern wurden von tdh (terre des hommes) nach ihren Fortbildungs-bedürfnissen gefragt, mit dem Ziel, die Arbeitszufriedenheit und Effektivität der täglichen Arbeit mit den Geflüchteten zu verbessern. Als Ergebnis bildeten die folgenden Themen die Grundlage für die Entwicklung des Konzepts:

Hintergrundwissen und Erklärungen zu Trauma, Stabilisierungsmethoden, Arbeit mit Familien in kultursensibler Weise, Umgang mit speziellen Problemgruppen und Arbeit mit Kinder- oder Jugendlichengruppen. Es zeigte sich zudem aus der Seminararbeit das Interesse an spezifischen Problemen wie sexuellem Missbrauch sowie Trauer und Verlust.

Alle Themen und Inhalte erforderten konkrete Antworten auf die Frage, wie man Methoden auf Kinder jeden Alters anwenden kann und selbstverständlich auch wie man auf Erwachsene und ihre Bedürfnisse eingehen kann. Die meisten Methoden wurden in Übungen und Selbsterfahrungen gezeigt, um das eigene Erfahrungswissen zu erweitern – immer verbunden mit einer Arbeitseinheit zur kulturellen Anpassung. Ein Seminarheft begleitete die Seminarreihe, um den Teilnehmer zu ermöglichen, sich leichter an die Inhalte zu erinnern.

 

Theoretischer Hintergrund:

Der theoretische Rahmen der EMDR-Therapie ist ein Ansatz, der davon ausgeht, dass auch unser Gehirn ein Selbstheilungssystem hat. Dieses muss angeregt werden, um traumatische Erfahrungen besser verarbeiten zu können. Die Erinnerungen werden als festgefahren oder, wie es den Klienten oft erklärt wird, „in der Zeit eingefroren“ betrachtet. EMDR führt diese Initialzündung zur Selbstheilung mit Hilfe der charakteristischen Augenbewegungen (bilaterale Stimulation) ein.

Wie Studien und die damit verbundenen Erfahrungen von TraumaAid aus Süd-Ost-Asien zeigen, erweisen sich schon spezielle Stabilisierungsmethoden bei professioneller Anwendung als äußerst hilfreich – vor allem wenn diese durch bilaterale Stimulation in Form z.B. des butterfly–hugs (ein wechselseitiges Tappen auf die eigenen Schultern – was vor allem Kinder gerne machen und als natürlich empfinden) verstärkt werden.

Da es nicht schnell genug möglich ist, eine große Anzahl von Trauma-Spezialisten auszubilden, die eine spezialisierte Behandlung anbieten, sind andere Methoden unbedingt notwendig. Für eine Vielzahl von Betroffenen sind Stabilisierungsmethoden der oben genannten Art und Weise hilfreich und nützlich, sie können leicht und risikofrei durchgeführt werden. Dies ist nicht nur für Flüchtlingslager, sondern auch für Gemeinden und Orte, die von Krisen und Kriegen betroffen sind, in denen Menschen in einer Nachkriegssituation leben, ein wichtiger, manchmal der einzig verfügbare Ansatz geworden.

 

Vorteile und Nutzen:

Der Hauptunterschied zur psychosozialen Arbeit im Allgemeinen besteht in der Nähe zu therapeutischen Maßnahmen: Methoden, die noch keine Therapie im Sinne einer Trauma-Bearbeitung sind, ermöglichen es, besser einzuschätzen, ob die Klienten später von einer eventuellen EMDR-Therapie profitieren könnten. Kinder und Klienten allgemein lernen außerdem, ihre Reaktionen zu kontrollieren, z.B. durch die Anwendung eines Vierfelder-Schemas, indem sie sich für einen kurzen Moment auf das kritische (traumatische) Ereignis, dann aber auf die Rettungssituation konzentrieren. Viele therapeutische Ansätze anderer Methoden helfen den Klienten zu verstehen, was passiert ist, aber der letzte Schritt zur Beseitigung der damit verbundenen oft qualvollen Körperempfindungen fehlt – so sagen es die Klienten selbst. TPSS+ verbindet die Bearbeitung der psychischen immer mit der der körperlichen Auswirkungen. Aus Sicht der Autoren ist dieses Konzept nicht besser als andere Ansätze, sondern vor allem näher an der EMDR-Therapie – und diese könnte, wenn notwendig und vorhanden, an die erste Hilfestellung durch TPSS+ passend anschließen.

 

Qualität der Seminarreihe:

Auf jede Seminarserie folgt eine Qualitätsbeurteilung und ein Feedback durch die Teilnehmer. Der Fragebogen hilft zu verstehen, ob die Art und Weise, wie TraumaAid die Inhalte präsentiert, für die Teilnehmer passend und nützlich ist. Die Ergebnisse sind ermutigend. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mehrheit der Teilnehmer in den Krisenländern ihre Bedürfnisse erfüllt sieht, die Bewertungen liegen im Durchschnitt unterhalb von 2 Punkten auf einer Skala von 1 – 6 (1= beste / 6 = schlechteste Bewertung) Punkten. Die Qualitätsmerkmale beziehen sich auf die Vermittlung der Inhalte und auch die Unterstützung des Lernprozesses durch die Trainer.

 

Torture Journal Vol. 31 No. 1 (2021) & (International Rehabilitation Council for Torture Victims). Trauma Psycho Social Support Plus® and EMDR therapy for children and adolescents in a post-conflict setting: Mental health training in Kurdistan Frank Hofmann, Michael Hase, Mirjam Goihl and Adrian Hase